Die Rotenburger Werke gGmbH (RW) planen ihr 1880 als „Asyl zur Pflege Epileptischer und Idioten" gegründetes historisches Kerngelände, auf dem Menschen mit Behinderungen noch heute in einer Sonderwelt leben, zu öffnen. Vor dem Hintergrund gesellschaftlichen Wandels soll sich hier ein lebendiges, inklusives Quartier entwickeln können, das allen Menschen offensteht. Zentrale Entwicklungsziele sind die Schaffung neuen Wohnraums und ggf. die Modernisierung der vorhandenen zum Teil denkmalgeschützten Bausubstanz (z.B. für Gemeinschaftswohnprojekte oder Startup-Unternehmen). Die Stadt Rotenburg plant die Aufnahme des Quartiers in das Integrierte Städtebauliche Entwicklungskonzept. Es soll in enger Abstimmung mit der Stadt eine Attraktivitätssteigerung für die ganze Stadtgesellschaft erreicht werden.
Eine Tandemlösung aus Stadt- und Sozialplanung soll eine sensible, passgenaue, zeitnahe Umsetzung des Vorhabens gewährleisten. Eckpunkte: Vergabe der Projektsteuerung Anfang 2021 an ein Stadtplanungsbüro (voraussichtlich „plan zwei“, Kosten für 3 Jahre: 90 T€); das Büro stellt das direkte Bindeglied zur Geschäftsführung der RW und damit zur Gesellschafterversammlung dar. Es gehört dem zentralen Steuerungsteam an. Intern liegt die Projektverantwortung bei der Stabstelle Öffentlichkeitsarbeit. Zur Unterstützung des Projekts wird zusätzlich eine E9-Stelle (TVDN) mit einem Umfang von 65% geschaffen (Kosten für drei Jahre: 126 T€). Ein laufender Austausch findet in Teambesprechungen statt, dem – im Kern – die Stadtplaner, der Leiter der Öffentlichkeitsarbeit und der/die neue Projektmitarbeiter*in angehören. Das Innovationsjahr 2021 dient mit seinem umfangreichen Beteiligungsprozess der Sammlung von Ideen und der Aufwertung des Gebietsimages. Parallel werden Leitlinien für den unternehmensseitigen Bedarf (Wohnangebote für Menschen mit Behinderungen u.a.) entwickelt und auch rechtliche, planerische, finanzielle und zeitliche Vorklärungen getroffen. Der Beteiligungsprozess bezieht alle relevanten Gruppen wie Gesellschafter, Beschäftigte, Bewohnerinnen, Stadtgesellschaft, Stadtpolitik und –verwaltung mit ein. Nach der Ableitung von Szenarien für die zukünftige Entwicklung aus der Ideensammlung werden Zielsetzungen und Strategien für die Umsetzung in thematischen Workshops erarbeitet. Ein Masterplan wird die Grundlage für die Umsetzung und für die Kommunikation mit potentiellen Partner*innen bilden. Ein Zuschuss über 180.000€ stellt dieses Herangehen sicher.
Die Rotenburger Werke befinden sich seit rund zehn Jahren in einem von der Aktion Mensch begleiteten "Konversionsprozess": Am Kernstandort werden Wohnplätze abgebaut, die in der Region neu entstehen. Dahinter stehende UN-Ziele: Inklusive Nachbarschaften, Wahlfreiheit, Wohnortnähe. Dies führt zu sinkenden Bewohnerzahlen im Quartier. Zu dieser Entwicklung trägt auch das hohe Alter der derzeit 197 BewohnerInnen bei. Auch von der baulichen Seite her entstehen Freiräume: Längerfristig genügen die Gebäude im Quartier den Wünschen der BewohnerInnen nicht mehr; die Anforderungen von Seiten des Brandschutzes und der Energetik stellen eine zunehmende Herausforderung dar. Ein erstes großes Wohngebäude wurde abgerissen; der Abriss einer alten Wäscherei steht unmittelbar bevor.
Dieser Situation steht ein Mangel an bezahlbarem Wohnraum in Rotenburg und Umgebung gegenüber. Wir (1.900 MA) erleben in unserem eigenen Netzwerk, zu dem auch das benachbarte Diakonieklinikum mit 2.500 Mitarbeiter*innen zählt, die z.T. verzweifelte Suche nach Wohnraum. In den RW arbeiten heute Menschen aus 32 Nationen; Menschen mit Migrationshintergrund haben es diesbzgl. besonders schwer. Auch fehlen Angebote für Jüngere (Auszubildende, Freiwilligendienstleistende) und Arbeitnehmer*innen mit geringem Einkommen. Ebenso fehlen Angebote für meist ältere Angehörige von Menschen mit Behinderungen, die in der Nähe ihrer Kinder leben möchten. Dieser Situation auf dem Wohnungsmarkt möchten die RW mit der Entwicklung eines Quartiers begegnen, das ganz unterschiedliche Menschen anzieht. Es wird eine behutsame Nutzungsmischung angestrebt, die offen ist für innovative Ideen und Nutzungen.